Medien-„fasten“ – so gelingt es
Viele nutzen die Fastenzeit, um sich bewusster zu ernähren und auf bestimmte Genussmittel zu verzichten – und das ganze 40 Tage lang. Vielleicht hast du es auch schon mal ausprobiert? Wie wäre es, wenn du gemeinsam mit deiner Familie diese Zeit nutzt, um deinen Medienkonsum zu reduzieren? Ein schöner Anlass, um mehr Zeit miteinander zu verbringen. Silke Schwarz, Kinderärztin und Mitbegründerin der Initiative „Medienfasten“ erklärt, welche Herausforderungen es gibt und warum es sich lohnt, durchzuhalten.
Liebe Frau Dr. Schwarz, wie ist die Idee zum „Medienfasten“ geboren?
Die Idee entstand bei einem Expertentreffen mit Prof. Dr. David Martin zum Thema „future of childhood“. Ein zentrales Thema dabei war, wie wir einen achtsamen Umgang von Kindern mit digitalen Medien schaffen können. Zu reflektieren, wie abhängig man sich selbst von den digitalen Medien macht und wie man ein Vorbild für seine Kinder sein kann. Dafür wollten wir Familien etwas an die Hand geben. Die Idee: Für eine bestimmte Zeit den Medienkonsum zu reduzieren. Dazu haben wir eine deutschlandweite Forschungs-Aktion mit insgesamt 1.500 Familien gestartet. Und waren selbst positiv überrascht von der Motivation der Familien, mitzuwirken.
Wie können Familien denn gut in so eine Zeit starten, damit auch die Umsetzung gut klappt?
Ganz wichtig ist es, dass sich die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern auf ihre Ziele und auf eine Zeitdauer verständigen. Wir haben für unser Projekt eine Zeitdauer von 44 Tagen festgelegt – passend zur Fastenzeit. Alle teilnehmenden Familien unserer Studie haben ein Medienfasten-Paket erhalten, in dem auch Fragebögen enthalten sind, die vor dem Beginn und nach dem Ende der Zeit ausgefüllt werden und bei der Reflektion unterstützen. Hier kann zum Beispiel auch angegeben werden, auf was und in welchem Umfang verzichtet wird – sei es die Zeit am Fernsehen, am Handy oder an Spielekonsolen. Bei unseren Umfragen hat sich interessanterweise herausgestellt, dass der Großteil der Eltern angegeben hat, das Medienfasten umzusetzen, um mehr Zeit für die Kinder zu haben. Und bei den Kindern wurde das Gleiche angegeben. *lacht* Also der Wunsch nach weniger Medienkonsum und mehr gemeinsamer Zeit ist in vielen Familien schon vorhanden. Die konkreten Ziele hängen natürlich immer auch vom Alter der Kinder ab.
Welche Tipps können Sie Eltern an die Hand geben?
Vielleicht einer der radikalsten Schritte, aber besonders wirksam ist es, den Fernseher einfach mal in den Keller zu stellen. Um dann nach ein paar Wochen vielleicht sogar festzustellen, dass er überhaupt nicht fehlt. Ein beliebtes Mittel, das uns viele Familien kommuniziert haben, ist ein Handykorb, in dem die Handys zum Beispiel zur Essenszeit gesammelt und für diesen Zeitraum nicht genutzt werden. Ein weiterer Tipp: Auf digitale Navigation zu verzichten und einfach mal wieder klassisch mit einer Straßenkarte ans Ziel kommen. Das eignet sich hervorragend für einen Tagesausflug mit der ganzen Familie und ist wie ein kleines Abenteuer: Am besten entscheidet man vorher gemeinsam, wo es hingehen soll und plant auch schon mal ein paar Zwischenstopps ein, zum Beispiel bei schönen Aussichtspunkten; und wenn man sich dann mal verfährt, fragt man halt nach dem Weg und begegnet so neuen Menschen. Außerdem haben wir allen Familien für unsere Studie einen schön illustrierten Kalender mit 44 Türchen mitgeschickt. Darin enthalten waren Impulse für jeden Tag, also etwas, worauf sich die Kinder auch freuen können; und was dann gemeinsam umgesetzt werden kann.
Und was können Familien tun, damit sie auch langfristig ihren Medienkonsum reduzieren?
Vorab: Wir möchten die Medien an sich nicht „verteufeln“. Sie ermöglichen ja viel Gutes, zum Beispiel können wir mit Menschen auf der ganzen Welt kommunizieren und in Kontakt bleiben. Uns geht es um einen selbstbestimmten Umgang und der Möglichkeit, sich bewusst frei zu machen von Handy, Fernseher und Co. Wenn das nach der Medienfastenzeit gelingt, ist das schon mal ein toller Erfolg. Es geht um gemeinsame Erlebnisse und darum, Neues zu entdecken und neugierig zu bleiben. Wenn es sinnvoll erscheint, kann man nach der eigentlichen Fastenzeit auch nochmal ein Wochenende Medienfasten einplanen. Und sich einfach immer wieder bewusstmachen, dass es Alternativen gibt.
Vielen Dank für diese spannenden Einblicke.
Hier erfahren Sie mehr zum Projekt: https://medienfasten.org/
Dr. med. Silke Schwarz ist Kindergarten- und Schulärztin. Sie lebt im Kölner Umland, führt eine Beratungsstelle für Kinder und arbeitet als Forscherin mit dem Schwerpunkt Medizin & Pädagogik an der Universität Witten/Herdecke.