Hintergrund und Methodik

Zielgruppe: Alle Kinder die ab dem 01.01.2022 geboren werden, erhalten bei ihrer Kinderärztin/ihrem Kinderarzt bei der Früherkennungsuntersuchung (U5) den Signal-Aufkleber.

Umsetzungspotenzial: Die Erkrankungen im Kindesalter, bei denen die Quantität und Qualität der Nutzung von Bildschirmmedien eine Rolle spielen, resultieren in direkten und indirekten Kosten sowie in lebenslange psychosozialen Folgen für die Individuen, ihre Familien und auch für die sozialen Sicherungssysteme. Angesichts der steigenden Prävalenzschätzungen ist zu erwarten, dass eine optimierte Versorgung in diesem Bereich langfristig positive klinische, sowie ökonomische Effekte erzielen wird.

Hintergrund: Experten sind sich einig: Kleine Kinder verbringen durchschnittlich zu viel Zeit mit Bildschirmmedien (1,2) und die Digitalisierungstendenz ist stark steigend (3). Beschleunigt durch die Corona-Krise nehmen digitale Medien einen nie zuvor dagewesenen Stellenwert im alltäglichen Leben ein. Unterricht wird in virtuelle Klassenzimmer verlegt, Kindergartenkinder folgen digitalen Spielgruppen am Bildschirm, und Erwachsene wie Kinder suchen mehr denn je Zeitvertreib mit digitaler Kommunikation, Filmen und Computerspielen.

Trotz allem Segen, welchen wir den digitalen Medien zusprechen, dürfen wir nicht vergessen, dass es vor allem für Kinder auch Schattenseitenx gibt. Digitale Bildschirmmedien wirken sich auf kleine Kinder, die noch in der Entwicklung sind, gesundheitlich ungünstiger aus, als auf Erwachsene (4,5). Die übermäßige Nutzung von digitalen Bildschirmen durch Eltern und Kleinkindern ist in dieser Lebensphase mit zahlreichen negativen gesundheitlichen Auswirkungen assoziiert, wie zum Beispiel Regulations- und Bindungsstörungen (6,7) sowie Entwicklungsstörungen der Sprache und Kognition (8,9,10). Vieles deutet darauf hin, dass die langfristigen Auswirkungen dysregulierter Bildschirmmedien-Nutzung mit erheblichen Kosten für die Krankenkassen verbunden sind (11). Die Reduktion der Bildschirmmedien-Exposition in den ersten Lebensjahren geht hingegen mit positiven Effekten in diversen Entwicklungsbereichen einher, so zum Beispiel bei der Feinmotorik (2), der Aufmerksamkeit und dem sozialen Verhalten (12).

In den USA ist die Verringerung der Bildschirmzeit unter Kindern bereits ein Nationales Gesundheitsziel (13). Gemäß deutschen Empfehlungen (Bsp.: BVKJ, DGKJ, DGSPJ, BZgA) sollten Kinder unter 3 Jahren möglichst keinen digitalen Bildschirmmedien ausgesetzt sein, und zwar weder aktiv, noch passiv im Beisein, wenn Eltern Screens nutzen. Deutschland hat im internationalen Vergleich dabei noch eine federführend restriktive Haltung, und es entsteht unter Federführung der Antragsteller eine AWMF-Leitlinie zur Prävention von dysregulierter Bildschirmmedien-Nutzung in der Kindheit (14). Um diese Empfehlungen umzusetzen und wirklich in das Bewusstsein der Bevölkerung, insbesondere von jungen Eltern, zu bringen sind gut und leicht verständliche Informationen notwendig. Hier setzt die BB3-Studie an. Sie evaluiert als bisher weltweit größte interventionelle Studie eine komplexe Intervention, die sofort im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen bei den Kinder- und Jugendärzt*innen kostengünstig umgesetzt werden kann.

Methodik: Deutschlandweite, randomisierte Untersuchung der Effektivität einer Intervention zum Umgang mit Bildschirmmedien in der Routineversorgung beim Kinderarzt (Vorsorge-Untersuchungen). Die Randomisierung der Cluster erfolgt per Zufallsprinzip je Bundesland. Die quantitative Evaluation des Nutzungsverhaltens von digitalen Bildschirmmedien in den Familien und der allgemein frühkindlichen Entwicklung erfolgt mittels Pre-/Post-Befragungen über die App „Meine pädiatrische Praxis“ des BVKJ. Zudem werden multizentrische, qualitative Befragungen des Praxispersonals und teilnehmender Eltern durchgeführt. Soweit möglich, werden außerdem die ICD-10-Diagnosedaten der teilnehmenden Kinder über das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) ausgewertet.

Hypothesen: „Bildschirmfrei bis 3“ führt dazu, dass junge Eltern besser informiert sind und in Folge kleine Kinder unter drei Jahren nicht mit digitalen Geräten beschäftigen. Dies reduziert sekundär die Bildschirmmedien-assoziierte Morbidität, durch eine Reduktion der Bildschirmzeit und die dadurch verbesserte sozio-emotionale, sprachliche sowie fein- und grobmotorische Entwicklung.

  1. Bitzer, E., Bleckmann, P. & Mößle, T. Prävention problematischer und suchtartiger Bildschirmmediennutzung – Eine deutschlandweite Befragung von Praxiseinrichtungen und Experten. http://kfn.de/wp-content/uploads/Forschungsberichte/FB_125.pdf (2014).
  2. Webster, E. K., Martin, C. K. & Staiano, A. E. Fundamental motor skills, screen-time, and physical activity in preschoolers. J. Sport Health Sci. 8, 114–121 (2019).
  3. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. miniKIM2014 – Kleinkinder und Medien, Basisuntersuchung zum Medienumgang 2-bis 5-Jähriger in Deutschland. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/miniKIM/2014/Studie/miniKIM_Studie_2014.pdf (2014).
  4. Reckert, T., Schwarz, S., Büsching, U. & Martin, D. ‘Bildschirmfrei bis Drei’: Am Lebensanfang volle Wirklichkeitserfahrung ermöglichen. Kinder- Jugendarzt 51, 195–199 (2020).
  5. Bleckmann, P. Medienmündig: Wie unsere Kinder selbstbestimmt mit dem Bildschirm umgehen lernen. (Klett-Cotta, 2012).
  6. Myruski, S. et al. Digital disruption?: Maternal mobile device use is related to infant social-emotional functioning. Dev. Sci. 21, e12610 (2018).
  7. Radesky, J. S., Silverstein, M., Zuckerman, B. & Christakis, D. A. Infant Self-Regulation and Early Childhood Media Exposure. Pediatrics 133, e1172–e1178 (2014).
  8. Chonchaiya, W., Sirachairat, C., Vijakkhana, N., Wilaisakditipakorn, T. & Pruksananonda, C. Elevated background TV exposure over time increases behavioural scores of 18-month-old toddlers. Acta Paediatr. Oslo Nor. 1992 104, 1039–1046 (2015).
  9. Madigan, S., Browne, D., Racine, N., Mori, C. & Tough, S. Association Between Screen Time and Children’s Performance on a Developmental Screening Test. JAMA Pediatr. 173, 244–250 (2019).
  10. Tomopoulos, S. et al. Infant Media Exposure and Toddler Development. Arch. Pediatr. Adolesc. Med. 164, 1105–1111 (2010).
  11. Vermont Department of Health. Screen Time & Activity – finding the balance. https://www.healthvermont.gov/sites/default/files/documents/2016/11/HPDP_PA%26NutritionSchoolEEC%20Screen%20Time%20teachers%20icons%20-FINAL.pdf (2016).
  12. Cheng, S., Maeda, T., Yoichi, S., Yamagata, Z. & Tomiwa, K. Early Television Exposure and Children’s Behavioral and Social Outcomes at Age 30 Months. J. Epidemiol. 20, S482–S489 (2010).
  13. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Chapter 33: Physical Activity (PA). in Healthy People 2020 Midcourse Review 21.
  14. Martin, D. D. Leitlinie zur Prävention dysregulierten Gebrauchs digitaler Bildschirmmedien in der Kindheit – Angemeldetes Leitlinienvorhaben Registernummer 027 – 075. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/027-075.html.
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